
Resilienz
Das Stehaufmännchen-Prinzip in der Psychologie
In der Psychologie beschreibt Resilienz die Fähigkeit, nach inneren oder äußeren Belastungen wieder in ein tragfähiges Gleichgewicht zu finden – nicht durch Härte, sondern durch Flexibilität. Sie ist weniger ein „Schild“ gegen das Leben als ein inneres Gelenk, das Beweglichkeit schenkt. Wir dürfen fühlen, stolpern, uns neu sortieren – und weitergehen. Diese Fähigkeit ist lern- und trainierbar. Genau darin liegt Hoffnung: Resilienz ist kein Charaktertest, sondern ein Entwicklungsweg.
Was Resilienz bedeutet
Resilienz lässt sich am besten als Immunsystem der Seele oder als psychische Widerstandsfähigkeit gegen Krisen beschreiben. Statt sich in schwierigen Phasen ohnmächtig ausgeliefert zu fühlen, begegnen resiliente Menschen diesen Herausforderungen aktiv - und finden meist schneller zurück ins Gleichgewicht. Besonders gut lässt sich das Phänomen anhand des Stehaufmännchens beschreiben: Die biegsamen Figuren mit ihrem Schwerpunkt in der Mitte bewegen sich immer wieder in die aufrechte Position zurück – sie lassen sich nicht umstoßen. Umgangssprachlich bezeichnen wir Menschen als Stehaufmännchen, die sich durch Niederlagen oder Misserfolge nicht unterkriegen lassen. Trotz aller Widrigkeiten lassen sie sich immer wieder auf das Leben ein und gehen an neue Herausforderungen optimistisch heran.
Woran man Resilienz erkennt
Resilienz zeigt sich weniger in großen Gesten als in kleinen, wiederholten Handlungen: •. an der Fähigkeit, sich nach einer Phase der Belastung zu regulieren •. an der Bereitschaft, Hilfe anzunehmen und Grenzen zu setzen •. an einem realistischen, freundlichen Blick auf sich selbst anstelle von Selbstkritik •. daran, die Bedeutung von Selbstfürsorge zu erkennen und ins Leben einzubinden •. an kontinuierlichen kleinen Schritten statt alles auf einmal zu wollen Selbst wenn die Startbedingungen im Leben von Menschen ungünstig sind, können sich solche Jungen und Mädchen im Laufe ihres Lebens zu selbstbewussten, fürsorglichen und leistungsfähigen Erwachsenen entwickeln. Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft und in sich selbst sind wichtige Wegmarken auf diesem Entwicklungsweg.
Die Rolle des Körpers
Belastung zeigt sich zuerst im Körper: flacher Atem, Druck im Bauch, Kloß im Hals, brennende Augen, verspannte Stirn. Wer lernt, diese Körpersignale zu lesen, entdeckt sein angeborenes Frühwarnsystem – und zugleich konkrete Hebel zur Beruhigung. In einer körperorientierten, achtsamkeitsbasierten Arbeit beachten wir daher: •. das Wahrnehmen feiner Signale (Wärme/Kälte, Druck, Puls) •. das Innezuhalten, um Raum zwischen Reiz und Reaktion zu schaffen •. die Wertschätzung kleiner Schritte, um Überforderung zu vermeiden •. das körperliche Verankern von Selbstmitgefühl (Hand aufs Herz, weicher Blick) Ziel ist nicht, sich auf Knopfdruck zu entspannen, sondern sich immer besser selbst zu regulieren.
Resiliente Menschen sind glücklicher
Psychische Krankheiten werden durch anhaltende negative Gefühle wie Unzufriedenheit und Anspannung begünstigt. Menschen mit einer optimistischen Grundstimmung sind dagegen meist entspannter. Ihre Resilienz lässt sie Krisen schneller überwinden und das macht sie gelassener. Sie machen sich weniger Sorgen um Vergangenheit oder Zukunft und warten ab, was das Leben ihnen bringt. Sie reagieren vorwiegend auf den Augenblick, wodurch sie auch besser wahrnehmen, wenn unangenehme Situationen vorüber sind, und sich schneller erholen. Sie verarbeiten und überwinden Trauer und Schmerz schneller als andere, da sie eher dazu in der Lage sind, selbstbestimmt zu handeln und auch in einer Niederlage Entwicklungspotential zu erkennen. Und ihr Denken ist beweglicher, was ihnen erleichtert, sich an gegebene Bedingungen schneller anzupassen.
Häufige Missverständisse
„Resiliente Menschen brauchen niemanden.“ Falsch. Resilienz wächst in Beziehungen: gesehen werden, sich mitteilen, Unterstützung erleben. „Ich muss nur positiv denken.“ Kognitive Reframing-Techniken helfen bedingt, aber ohne Körperbezug bleibt der Boden dünn. „Einmal gelernt, für immer vorhanden.“ Resilienz ist dynamisch und abhängig von verschiedenen Faktoren. Je nach Kontext kann und muss sie sich neu organisieren.
Resilienz im Nervensystem
Jeder Mensch entwickelt sein persönliches neuronales Netzwerk durch seine individuelle Biografie. Ein Teil davon wird durch das genetische Material bestimmt, der andere durch die Einflüsse der Umwelt. Die Wechselwirkung beider Bereiche prägen den Menschen. Vereinfacht ausgedrückt wechselt unser Nervensystem zwischen Aktivierung, Verbundenheit und Rückzug. In Stressmomenten wird Aktivierung dominant. Resilienz bedeutet, den Weg zurück zur Verbundenheit zu kennen: Atem spüren, Blick weiten, Schultern lösen, einen Satz innerer Freundlichkeit finden. Und manchmal braucht es auch eine klare Grenze, eine Pause, die durch Rückzug möglich ist. Es ist wichtig zu wissen, dass der Mensch in jeder Phase seines Lebens lernen kann, resilienter zu werden. Diese Erkenntnis nutzt die Psychotherapie, um Menschen Wege aufzuzeigen, besser mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen.
Psychische Widerstandskraft aufbauen
Es gibt erprobte Zugänge, doch „one size fits all“ gilt hier nicht. Ihren individuellen Weg zu gestalten, ist unsere gemeinsame Herausforderung. Beispiele: Achtsamkeitsmomente im Alltag Kurze Inseln statt langer Übungen. Dreimal täglich zwei Minuten lang: Atem wahrnehmen, Füße am Boden spüren, den Blick in den Raum weiten. Selbstmitgefühl als Haltung Innere Sprache formt Erleben. Probieren Sie stimmige Sätze aus: „Es ist gerade schwer – und ich bleibe bei mir.“ - „Ich darf in kleinen Schritten gehen.“ - „Ich muss es nicht alleine schaffen.“ Diese Sätze wirken stärker, wenn sie körperlich begleitet werden (Hand aufs Herz, eine tragende Sitzfläche bewusst spüren). Ressourcen nutzen Erinnern Sie sich an Situationen, in denen Kraft, Verbundenheit oder Sinn spürbar waren – und verweilen Sie bei der Körperempfindung dazu. Das Nervensystem lernt, positive Zustände länger zu halten. Grenzen wahrnehmen und kommunizieren Formulieren Sie einen freundlich-klaren Satz, wenn Sie Überforderung empfinden: „Heute schaffe ich 30 Minuten – das ist in Ordnung.“ Sprechen Sie laut, damit Körper und Stimme ihn kennen. Rituale und Rhythmen Beständige Anker geben Halt: ein Morgenritual, ein kurzer Spaziergang nach der Arbeit, ein Wochenabschluss. Dahinter steht die Zuwendung zu mir selbst. Für manche Menschen hat das gemeinsame Erleben mehr Kraft: Mit einer verlässlichen Person stillsitzen, gemeinsam atmen, sich anlehnen, eine ruhige Hand halten.
Herausforderungen
sind Teil des Lebens
Resilienz ist deshalb eine so hilfreiche Eigenschaft, weil Leid und Krisen ständige Begleiter unseres Lebens sind. Es wird immer Situationen geben, die uns mit großen Herausforderungen konfrontieren. In diesen Phasen bringt es nichts, sich den negativen Emotionen zu verschließen oder sie gar zu leugnen. Wenn wir psychische Widerstandskraft entwickeln wollen, braucht es bewusste Übung und Selbstzuwendung. Das Gehirn hört nicht auf, sich weiterzuentwickeln, wenn wir sein Potenzial nutzen.
Eine ergänzende Perspektive auf mentale Widerstandskraft bietet der Artikel "Innere Stärke aktivieren".
Wann Begleitung sinnvoll ist
Allein üben ist wertvoll, und doch stoßen viele Menschen an Grenzen – gerade bei alten Mustern, traumatischen Prägungen oder langanhaltendem Stress. In einem therapeutischen Rahmen können wir: • Ursprünge von Reaktionsmustern erkunden, ohne zu überfordern •. Übungen dosiert anpassen, damit sie wirklich tragen • Selbstmitgefühl lebendig und wirksam integrieren, statt nur darüber zu sprechen •. neue Erfahrungen in einem sicheren Umfeld machen – oft ein Wendepunkt Online-Therapie bietet dafür einen geschützten Raum – nah genug, um in Kontakt zu sein und verbunden mit dem Wohlgefühl des eigenen Zuhauses.
Innere Stärke kultivieren
Gerne begleite ich Sie in der Online-Psychotherapie – achtsam, systemisch, erfahrungsbasiert. Ich biete ein kostenfreies, unverbindliches Kennenlerngespräch an – telefonisch oder per Video. Hier klären wir Ihr Anliegen und finden gemeinsam erste Schritte.